Burnout-Prävention: Interview mit Dr. Veneta Slavchova
10.11.2023 von Vreny Blanco · 8 min Lesezeit · Interviews, Psychische Gesundheit
In der heutigen dynamischen und anspruchsvollen Arbeitswelt nimmt die psychische Belastung stetig zu. In diesem spannenden Interview mit Gesundheitspsychologin Dr. Veneta Slavchova erfährst du, wie du Burnout erkennen und vermeiden kannst.
Außerdem lernst du den Zusammenhang zwischen Burnout und Konzentrationsschwierigkeiten kennen und bekommst wertvolle Tipps zur Steigerung deiner Konzentrationsfähigkeit.
Ob Arbeitnehmer, Führungskraft oder Unternehmer – diese Ausgabe von Frag den Experten bietet dir wertvolle Einblicke und praktische Strategien, um mit der Komplexität der modernen Arbeitswelt umzugehen, deine psychische Gesundheit zu schützen und deine berufliche Resilienz zu stärken.
Können Sie uns etwas über sich erzählen?
Ich heiße Dr. Veneta Slavchova und bin gebürtig aus Bulgarien, Sofia. Ich habe in Aachen meinen Bachelor Psychologie und an der FernUniversität Hagen meinen Master Psychologie gemacht. Ich bin promovierte Psychologin im Bereich der Gesundheits- und Rehabilitationspsychologie. In meiner Dissertation habe ich den schmalen Grat zwischen Inklusion und Stigmatisierung von körperlich behinderten und psychisch erkrankten Menschen in der Arbeitswelt untersucht.
Mein Herz brennt für den Erhalt der mentalen Gesundheit im Berufsleben. Psychisch gesund zu bleiben, ist eine Grundvoraussetzung für produktives und zufriedenes Arbeiten. Um hier Unternehmen, Führungskräfte und Beschäftigte zu unterstützen, habe ich gemeinsam mit Prof. Dr. Viktoria Arling und Dr. Jens Knispel ASK Consulting gegründet. Wir bieten Schulungen, Trainings und Workshops an, beispielsweise in den Themenfeldern gesundes Arbeiten, Burnout-Prävention und berufliche Resilienz.
Was ist Burnout und was sind typische Symptome?
Burnout ist ein Zustand, in dem berufstätige Menschen unter einer totalen körperlichen, emotionalen und geistigen Erschöpfung leiden.
Typischerweise geht Burnout mit einer stark verminderten Leistungsfähigkeit einher. Es gibt in Bezug auf die Symptome eine große Schnittmenge zwischen Burnout und Depression.
Wie aktuelle Statistiken der Krankenkassen belegen, sind psychische Erkrankungen zunehmend ein Grund für Fehlzeiten. Und wer wegen einer psychischen Erkrankung ausfällt, ist im Schnitt dreimal so lange krank wie bei anderen gesundheitlichen Problemen. Burnout ist also ein sehr relevantes Thema für Betroffene und Unternehmen.
Welche Faktoren tragen Ihrer Meinung nach zu Burnout bei?
Faktoren, die zu Burnout führen können, gibt es viele. Wir leben heutzutage in einer Arbeitswelt, die durch rasante Veränderungen, unstetige und unberechenbare Entwicklungen und hohe Anforderungen geprägt ist. Der Fachbegriff dafür lautet die VUCA-Welt.
Aus gesundheitspsychologischer Sicht entsteht Burnout dann, wenn der Mensch den Anforderungen der Tätigkeit langfristig nicht gerecht werden kann – beispielsweise, weil zu viele Aufgaben in zu kurzer Zeit bewältigt werden müssen oder die Tätigkeiten emotional sehr beanspruchen – Stichwort Pflegeberufe. Dann kommt es auf lange Sicht zu Überanstrengung, Erschöpfung, emotionaler Distanzierung und schließlich zum Zusammenbruch: dem Burnout.
Anmerkung: Das Wort VUCA als Akronym steht für volatility (Volatilität), uncertainty (Ungewissheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Ambiguität).
Können Sie uns den Zusammenhang zwischen Burnout und Konzentrationsschwierigkeiten erläutern?
Menschen, die unter einem Burnout leiden, sind ausgebrannt und erschöpft. Um sich konzentrieren und fokussieren zu können, braucht es aber mentale Ressourcen und Energie. Da bleibt es nicht aus, dass die Arbeit nicht mehr konzentriert ausgeübt werden kann.
Oft ist das ein Teufelskreislauf: Wer sich nicht konzentrieren kann, der arbeitet fehlerhafter und langsamer. Und das wiederum führt zu Überforderung und Stress. Deswegen ist es wichtig, einen drohenden Burnout immer ernst zu nehmen und nicht zu warten, bis das Kartenhaus in sich zusammenklappt.
Was kann man tun, um Burnout vorzubeugen?
Wer genügend persönliche Ressourcen hat, der kann Arbeitsanforderungen auf lange Sicht besser bewältigen und sich dabei gut fühlen. Wir legen daher bei ASK Consulting einen großen Wert darauf, die berufliche Resilienz von Beschäftigten gezielt in den Fokus zu rücken.
Die psychische Widerstandskraft kann auf Basis von einem Sieben-Säulen-Modell gefördert werden. Wir haben dieses Modell speziell auf den Beruf angepasst. Das Modell umfasst:
- Optimismus als positive Haltung zum Leben. Beispiel: Ich bin mir sicher, dass ich an beruflichen Krisen wachsen kann.
- Akzeptanz der beruflichen Situation. Beispiel: Ich kann damit umgehen, dass ich nicht auf alles im Berufsleben einen Einfluss habe.
- Lösungsorientierung. Beispiel: Bei beruflichen Schwierigkeiten suche ich Lösungen aus mehreren Blickwinkeln.
- Selbstfürsorge. Beispiel: Ich höre auf meinen Körper und gönne ihm Ruhepausen vom Beruf.
- Netzwerkorientierung. Beispiel: Bei beruflichen Schwierigkeiten suche ich aktiv nach Unterstützung durch Kollegen.
- Verantwortungsübernahme. Beispiel: Wenn ich auf der Arbeit einen Fehler mache, übernehme ich dafür Verantwortung.
- Zukunftsorientierung. Beispiel: Ich habe klare berufliche Ziele, die ich verfolge.
Welche Strategien empfehlen Sie zur Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit?
Ich empfehle, gezielt und frühzeitig an der beruflichen Resilienz zu arbeiten.
Dafür ist oft eine Bestandsaufnahme sinnvoll. Dafür haben wir einen zum Modell passenden Fragebogen entwickelt und testdiagnostisch validiert. Ansonsten ist es sicherlich eine gute Idee, einen kognitiven Overload zu vermeiden: Bewusste Fokussierung auf Arbeitsaufgaben oder -inhalte kann beispielsweise durch das gezielte Vermeiden von Multitasking gelingen (z.B. Handy lautlos stellen).
Welche Rolle spielt die psychische Gesundheit bei der Prävention von Burnout und der Verbesserung der Konzentration?
Wer psychisch gesund ist, dem stehen wichtige kognitive und emotionale Ressourcen zur Verfügung.
Als positiver Nebeneffekt kann man sich bei guter psychischer Verfassung in der Regel auch besser konzentrieren und fokussieren. Denn: man ist nicht so abgelenkt mit anderen Problemen und dadurch wird die Arbeit besser bewältigt. Verfügbare Ressourcen wiederum können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Beschäftigte nicht in die Burnout-Falle rutschen.
Welche Ressourcen oder Techniken würden Sie Menschen empfehlen, die mit Burnout und Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen haben?
Aus unserer Erfahrung kann der Aufbau einer stabilen beruflichen Resilienz dabei helfen, dass die Burnout-Problematik langfristig und nachhaltig überwunden werden kann. Damit verbundene Konzentrationsschwierigkeiten lösen sich damit oft auch von selbst auf.
Es gilt, die Haltung zur Arbeit und das Verhalten in der Arbeitswelt so anzupassen, dass die betroffene Person besser mit den Anforderungen zurechtkommen kann. Beispielsweise, darüber nachzudenken, wie man den beruflichen Stress nicht so nah an sich herankommen lässt.
Man sollte sich aber immer auch die Frage stellen, ob es nicht auch besonders ungünstige Arbeitsbedingungen sind, die den Burnout gegebenenfalls gefördert haben und hier eine Strategie zugunsten der eigenen Gesundheit überlegen (z.B. Gespräch mit dem Vorgesetzten, Wechsel der beruflichen Position). Es gilt, das Hamsterrad zu verlassen und alte Muster zu durchbrechen. Hier kann ein neutraler und unabhängiger Blick von außen oft große Effekte erzielen.
Nicht unerwähnt bleiben sollte aber, dass man sich gerade in akuten Phasen der Burnout-Erkrankung auch unbedingt professionell unterstützen lassen sollte. Der oder die Hausärztin ist hier die richtige erste Anlaufstelle.
Welche Rolle spielt die Work-Life-Balance bei der Prävention von Burnout und der Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit?
Wir leben in einer zunehmend entgrenzten Arbeitswelt. Das heißt, dass beispielsweise die permanente Erreichbarkeit per E-Mail oder Smartphone in vielen Betrieben voraussetzt wird. Infolgedessen kreisen die Gedanken oft auch zuhause um die Arbeit und damit verbundene Herausforderungen und Probleme. Das erschöpft Betroffene wiederum, weil es keine Ruhephasen gibt, in denen man abschalten kann.
Deswegen ist es wichtig, dass man eine ausgewogene Work-Life-Balance anstrebt. Das berücksichtigen wir beispielsweise in unserem Resilienz-Modell in Form der Selbstfürsorge: Hier steht die Frage im Fokus, was man tun kann, um mögliche Dysbalancen zwischen Arbeit und Privatleben zu verbessern.
Wie kann man sich von einem Burnout erholen und zurück ins Arbeitsleben finden?
Wichtig ist, einen bewussten Stopp zu setzen, statt sich von Krankschreibung zu Krankschreibung zu hangeln. Eine professionelle Begleitung ist wichtig, statt das Problem mit sich selbst ausmachen zu wollen. Entscheidend ist es, die Situation zu reflektieren und darauf aufbauend nachhaltig wirksame Handlungsstrategien und mentale Haltungen im Bereich der beruflichen Resilienz zu erarbeiten.
Wie überwinden Sie sich, wenn Sie unmotiviert sind?
Ich mache mir immer wieder klar, wie wichtig meine Arbeit für andere Menschen ist und welche positiven Auswirkungen ich erzielen kann. Das treibt mich an!
Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg?
Der Schlüssel zum gesunden Arbeiten ist ein bewusster und zu sich selbst wohlwollender Umgang mit der psychischen Gesundheit.
Wo kann ich mehr erfahren?
Mehr zu unseren Schulungen, Trainings und Workshops in den Themenfeldern gesundes Arbeiten, Burnout-Prävention und berufliche Resilienz erfahren Sie unter acaskconsulting.de.
Oder Sie schicken uns einfach eine kurze E-Mail unter info@acaskconsulting.de und wir melden uns bei Ihnen bezüglich eines Strategiegespräches.
Danksagung
Wir danken Dr. Veneta Slavchova ganz herzlich dafür, dass sie ihr Fachwissen über Burnout und Resilienz am Arbeitsplatz mit uns geteilt hat. Ihr Engagement für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Prävention von Burnout ist wirklich inspirierend und hat unsere Artikelserie Frag den Experten sehr bereichert.